AUFENTHALTSQUALITÄT
Gerade im Bereich der Aufenthaltsqualität wirft der Blick in die Zukunft fundamentale Fragen auf. Aufenthaltsqualitäten entstehen dann, wenn die unterschiedlichen Anforderungen und Bedarfe einer heterogenen und sich verändernden Gesellschaft ebenso wie sich verändernde klimatische Bedingungen berücksichtigt werden. Gleichzeitig gilt es gerade in diesem Handlungsfeld, zentrale Konflikte zu benennen und weiter zu diskutieren, wie bspw. Anforderungen des Denkmalschutzes, der Feuerwehr oder EVAG vs. Wunsch nach mehr Grün, oder Naturschutz vs. Wunschnach mehr Wasserzugängen. Zudem ist Aufenthaltsqualität als Handlungsfeld stark beeinflusst von einzelnen Aspekten des Nutzungs-Mixes sowie durch Hygienefaktoren (Sicherheit und Sauberkeit).
Wie kann die Aufenthaltsqualität in der Erfurter Innenstadt unter all diesen Aspekten optimiert werden – unter gleichzeitiger Beibehaltung der aktuellen Stärken wie bspw. der „Lebendigkeit“, welche die Befragung gezeigt haben?
Aus Sicht der Befragten stehen der Wunsch nach mehr „Grün“ und mehr Schatten stark im Fokus. Seit Oktober 2021 wird eine Evaluierung und Fortschreibung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes für Erfurt durchgeführt. Ziel dieser Projektarbeit ist eine Überprüfung und mögliche Neuentwicklung der bisherigen Zielstellungen, Schwerpunktsetzungen und Maßnahmen. Um den mittelfristigen Einstieg in die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes greifbar und erlebbar zumachen und parallel den Ergebnissen der vorliegenden Forschung Rechnung zutragen, könnte folgende innenstadtspezifische Maßnahme konzipiert werden: ein „Klima-Konzept-Pilot“ an einem zentralen Ort mit Abstrahleffekt (z. B. Hirschgarten in Verbindung mit der Fertigstellung ALT424 „Löbertor“ mit geplanter Dachbegrünung sowie Baumbepflanzung). Dort könnten einzelne Aspekte des zukünftigen Klimaschutzkonzeptes konkret und sukzessive sichtbar umgesetzt und kommuniziert werden – die Ausgestaltung ist entsprechend der Ausrichtung des Konzeptes zu wählen, aus Sicht der vorliegenden Befragung wären Aspekte rund um „Bäume pflanzen“, „Verschattung ausbauen“, Angebote für Urban Gardening schaffen oder die Nutzung von Wasserzugängen konzeptionell interessant. Eine intensive kommunikative Begleitung würde hier gleich mehrere Ziele erreichen – Bekanntheit, Relevanz und Aufklärung.
Auch am Anger ließe sich ansatzweise der Wunsch nach mehr „Grün“ effektiv und aufmerksamkeitsstark umsetzen, in kleinen, aber sichtbaren Schritten: Maßnahmen wie Haltestellenbegrünung oder das Zulassen von Fassadenbepflanzung könnten hier trotz Platzmangels positive Akzente setzen.
Neben mehr „Grün“ zeigt die Befragung auch den Wunsch nach mehr „Blau“ – sowohl in Form von besserer Zugänglichkeit der Gera als auch im Zusammenhang mit dem Angebot von Trinkbrunnen in der Innenstadt. Der Wunsch nach mehr Trinkbrunnen bietet sich für eine kurzfristig umsetzbare kommunikative Maßnahme an: Tatsächlich gibt es in der Innenstadt eine beachtliche Anzahl von öffentlich zugänglichen Trinkbrunnen und sogenannten Refill-Stationen bzw. Wasserspendern (diese Läden füllen kostenfrei Leitungswasser in jedes mitgebrachte Trinkgefäß). Dieser Aspekt der Aufenthaltsqualität wird offenbar noch zu wenig kommuniziert! Eine handlungsfeldübergreifende kommunikative Aufklärungskampagne bspw. im Stil von „Wussten Sie, dass …?“ („Wussten Sie, dass es in der Erfurter Innenstadt 8 öffentliche Trinkbrunnen gibt?“) könnte hier nachhaltig als Klammer dienen und darüber aufklären, welche relevanten Services bereits in der Innenstadt zur Verfügung stehen. Durch die Wiederholung in verschiedenen Aspekten (bspw. Trinkbrunnen, „Nette Toilette“, denkbar auch: Kinderbetreuungsmöglichkeiten in der Innenstadt, Themen rund um Sicherheit und Sauberkeit, Anzahl im Durchschnitt freier Parkplätze, …) kann hier sowohl eine kommunikative Verankerung als auch ein genereller Abstrahleffekt erzielt werden. Gleichzeitig sollte mittel- bis langfristig das Angebot an Trinkbrunnen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, insbesondere hinsichtlich Anzahl bzw. Lage sowie optischer Gestaltung.
Der Wunsch nach mehr Sitzgelegenheiten in der Innenstadt, verbunden mit dem Vorschlag zusätzlicher Begrünung (auch hier explizite Benennung des Angers), soll an dieser Stelle erwähnt und zur weiteren Prüfung vorgeschlagen werden. Ebenso sollten Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Markisen zur zusätzlichen Verschattung vor dem Hintergrund der fortschreitenden Klimaveränderung erneut geprüft werden.
Die künftig zu gewährleistende Aufenthaltsqualität sollte weitestgehend die Anforderungen aller Zielgruppen bzw. Nutzer der Erfurter Innenstadtberücksichtigen. Dies impliziert auch die Einbindung der Jugend mit ihren spezifischen Bedürfnissen. Im Fokus dieser Thematik steht speziell die Nutzung von Flächen und Plätzen für Treffen von Jugendlichen, unter Einhaltung auszuhandelnder verbindlicher Rahmenbedingungen. Hierzu gibt es bereits ein aktuelles Projekt des Stadtjugendrings, in dem es um die gemeinsame Definition von bestimmten „Spielregeln“ im Miteinander und der Vereinbarkeit verschiedener Bedürfnisse geht. In diesem Kontext sei die Diskussion um die Bestellung eines sog. Nachtbürgermeisters erwähnt (Best-Practice Mainz, ehrenamtlicher Nachtkulturbeauftragter seit 2020).